Rennen

2. Etappe (Peakbreak 2008)

St. Veit an der Glan – Lienz

Kurz bevor der Wecker klingelt, schlafe ich ein… leider zu spät, denn noch einmal Umdrehen könnte fatal sein. Also, ab aufstehen und unter die Dusche. Wie bereits in der Nacht zuvor, konnte ich kaum ein Auge zudrücken und schlafen. Zuviel Pasta oder zu aufgekratzt vom Rennen … ich kann es nicht sagen. Am Hotel oder am Bett lag es auf jeden Fall nicht, denn beides war erstklassig. Eines steht aber wohl fest: so notwendig die Berge von Nudeln am Abend sind, einschlafen kann ich mit der Ladung im Bauch zunächst erst einmal nicht. Hier muss man wohl auch trainieren. 3-4 Stunden Schlaf auf zwei Nächte ist schon verdammt wenig, vor allem wenn man auf dem Rad auch noch Leistung bringen will. Heute heisst es daher einfach nur Schaden begrenzen. Nach einer halben Stunde unter der Dusche mit kalt und warm im Wechsel bin ich dann auch fast wach. Den Rest besorgen 4 Tassen Kaffee (hoffentlich fällt das nicht schon unter „Doping“) bei einem üppigen Frühstück. Die Nacht ist fürs erste vergessen, aber eines ist mir schon jetzt klar: wenn ich die kommende Nacht auch wieder nicht schlafen kann ist der Akku leer. Auf der dritten Etappe, die auch noch über das Dach der Tour geht (Großglockner) würde ich dann unweigerlich eingehen.

Von der Nervosität an der Startline, die ich noch am Vortag hatte, ist heute glücklicherweise nicht mehr viel übrig. Meine Beine und der Körper fühlen sich gut an und das trotz der gestrigen Strapazen. Die Stimmung am Start ist toll und das Wetter spielt auch wieder mit: bereits am Start in St. Veit kündigt sich ein sonniger Tag an. Lediglich mein Kopf ist noch etwas müde, aber mit dem Startschuss pünktlich um 9 Uhr ist auch der letzte meiner Sinne hellwach. Die Etappe hat es alleine aufgrund der Länge von 185 km in sich, auch wenn mit dem Nassfeld nur ein grösserer Pass dabei ist. Das Nassfeld mit seinen 1516 m wartet allerdings erst nach etwas mehr als 100 km, kurz hinter der italienischen Grenze auf uns. Der Weg dorthin ist überwiegend flach. Bis zur italienischen Grenze zeigt das Profil zwar eine kontinuierliche, leichte Steigung, die ich aber in dieser Rennphase im Feld kaum bemerke. Das Feld hat zwar nur 31 Fahrer, aber der Wechsel an der Spitze ist auch hier noch so rasch, dass wir echt ein gutes Tempo fahren.

Die ersten 40 km nach dem Start auf der Bundesstraße sind aus Sicherheitsgründen neutralisiert. Gut behütet von den Profis der cbca geht es auf der stark befahrenen Autostraße nach Feldkirchen in Kärnten. Eine gute Gelegenheit für eine kurze Unterhaltung und um auch von den anderen zu erfahren, wie sie sich nach dem ersten Tag so fühlen. Allgemeine Stimmungslage: prima! Auch nach der Rennfreigabe durch Tom verläuft das Renngeschehen bis zur ersten Verpflegungsstelle direkt an der ehemaligen Zollstation eher ruhig. Eine Attacke vor dem Nassfeld scheint sich für die meisten nicht zu lohnen. An der Grenze wird die Sicherung des Feldes dann bis Pontebba am Fuße des Nassfelds durch die italienische Polizei übernommen. Die Geschwindigkeit des Feldes wird jetzt richtig hoch, da die Strasse bis Pontebba leicht, aber eben auch beständig abfällt. 45 km/h beträgt der Schnitt auf die nächsten 20 Kilometer! Die rasante Fahrt im Feld bei diesem Tempo macht richtig Spass und zudem kann ich noch einmal Kräfte sammeln bevor es am Anstieg zum Nassfeld richtig zur Sache geht.

Kurz hinter dem kleinen Ort Pontebba löst sich das Feld am ersten Anstieg eben so schnell auf, wie ein Stück Butter in der heißen Sonne über uns dahin schmelzen würde. Wir haben die Bundesstraße SS13 verlassen und sind auf die kleine SP110 (Via Pramollo) abgebogen. Die Mittagssonne brennt mit 31°C auf den Asphalt herunter während ich die ersten Meter der Steigung nehme. Nach der ersten heftigen Rampe frage ich mich unweigerlich, wie und wo es in diesem Tal denn überhaupt weitergehen soll. Die Felswände bauen sich vor mir auf und das schmale Tal bietet scheinbar keine Möglichkeit für einen Strassenverlauf unter 20  %  Steigung? In der Praxis sieht das natürlich glücklicherweise anders aus. Die Steigung ist zwar anspruchsvoll, aber nicht mörderisch. Die Via Pramollo windet sich in immer wieder überraschenden Kehren, die teilweise sogar im Tunnel verlaufen, höher und höher. Ein kleines Meisterwerk des Straßenbaus und das alles in einer atemberaubend schönen Landschaft mit immer wieder spektakulären Ausblicken. Klar, der Landschaft kann ich in dem Moment, mitten im Rennen nicht arg viel Aufmerksamkeit widmen. Dass ich nicht richtig ausgeschlafen bin, merke ich leider jetzt auch voll. Ich fühle mich zwar nicht schlecht, aber ich habe das Gefühl den Berg hochzukriechen (was bei ca. 10,4 km/h im Durchschnitt auch stimmt) und der Puls kommt auch kaum hoch. Unter normalen Umständen hätte ich jetzt schon stark an mir gezweifelt… Und dennoch: in so einer Umgebung macht das Klettern trotzdem Spass. Fast schon schade, dass der Anstieg dann doch zu Ende ist. Das Nassfeld gehört für mich wirklich zu den Highlights von Peakbreak. Oben angekommen bleibt zumindest an der Verpflegungsstelle noch ein kurzer Augenblick um die Schönheit der Bergwelt hier in die Erinnerung zu brennen. Gestärkt und mit einer kleinen Gruppe begebe ich mich in die wohlverdiente Abfahrt. Kurz hinter der Passhöhe haben wir dann auch schon wieder österreichischen Boden unter den Laufrädern. Hinunter nach Tröpolach fällt die Strasse auf 12 km zwar nur mit durchschnittlich 7,5  %, aber die Abfahrt ist durchaus kurvig und fahrerisch anspruchsvoll. Immerhin sind meine Beine und mein Puls nach dem kräftezehrenden Anstieg extrem dankbar für die Erholungsphase während der Abfahrt. Unten angekommen, habe ich die Strapazen der Kletterpartie dann auch schon wieder vergessen. Bis Lienz habe ich zwar noch 55 km vor mir, aber unsere Gruppe von 6 oder 7 Fahrern harmoniert super und nach etwa 40 min befinden wir uns gemeinsam im letzten Anstieg vor Lienz. Der finale Anstieg des Tages beginnt nach ca. 150 Kilometern kurz hinter Kötschach, nach dem man von der Gailtal Bundesstraße rechts auf die Plöckenpass Bundesstraße abgebogen ist. Der zu bezwingende Gailberg Sattel ist unter normalen Umständen mit seinen 250 Höhenmetern von Kötschach aus eher als Hügel zu bezeichnen, aber nach 160 Kilometern werden auch aus mittleren Hügeln plötzlich ernsthafte Pässe. Hinzu kommt, dass es nach einer zwischenzeitlichen Abkühlung durch die Abfahrt jetzt doch wieder extrem heiß geworden ist. 33°C fordern auch den letzten Schweißtropfen. Ich muss auf jeden Fall noch einmal alle Reserven mobilisieren um dranzubleiben. Dann ist es aber endlich geschafft. Eine letzte Abfahrt nach Oberdrauburg und dann noch einmal 20 flache Kilometer ins Ziel nach Lienz. Nach 6 Stunden und 37 Minuten erreiche ich mit einer Gruppe von 7 Fahrern gemeinsam das Ziel am Marktplatz.

Die Zeit finde ich in Anbetracht der Umstände sehr gut. Auch wenn Platz 25 (Zieleinlauf) nochmal um einen Platz schlechter ist als gestern bin ich heute doch zufrieden. Am Vortag lagen zwischen mir auf Platz 24 und Platz 23 noch über 12 Minuten. Heute ist mein Platz 25 praktisch zeitgleich mit Platz 19. Darauf kann man doch mal aufbauen.

  • Tour-Gallerie:

Sorry – aufgrund technischer Probleme gibt es von der zweiten Etappe leider keine Bilder.

  • Karte (Rechtsklick auf Download und „Ziel speichern unter…“ um die gpx-Datei herunterzuladen):

volle Distanz: 185287 m
Gesamtanstieg: 2364 m
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  • Detailliertes Streckenprofil (klicken zum Vergrößern):

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