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Auf den Spuren der Tour de France 2016 – Teil 1: Col de la Ramaz

(gefahren 24.07.2016)

Die 20. und vorletzte Etappe der Tour de France 2016 führte die Profis auf einer atemberaubenden Etappe von Megève im ständigen auf und ab nach Morzine. Eine Etappe über den Col des Aravis (Berg der 2. Kategorie), den Col de la Colombière und den Col de la Ramaz (beide 1. Kategorie) sowie den finalen Anstieg zum Col de la Joux Plane, einem Berg der Ehrenkategorie. Eine der undankbarsten Anstiege und Abfahrten an diesem Tag bildete der Ramaz. Hatte zuvor noch eine unglaubliche, schwüle Hitze geherrscht, so entlud sich an diesem gerade um die Zeit, als sich das Rennengeschehen am Ramaz abspielte ein fürchterliches Gewitter. An dem Tag hätte ich nie und nimmer mit den Jungs tauschen, wollen. In der Hitze full speed fahren ist eine Sache, aber sich im stürmischen Gewitter auf profillosen 23 mm breiten Reifen 1000 m ins Tal zu stürzen ist kein Kinderspiel.

Auch auf der Strecke meiner Tour am Tag nach „Der Tour“ steht der Col de la Ramaz auf dem Menüplan. An- und Abfahrt nehme ich auf der gleichen Route. Meine Tour ist aber nur gute 100 Kilometer und im Gegensatz zu den Jungs gestern habe ich einen unschlagbaren Vorteil: ich habe Zeit!

Trotzdem starte ich meine Rundtour heute mal als Frühaufsteher und rolle bereits kurz nach 9 Uhr aus dem kleinen Örtchen Vacheresse heraus. Die Wettervorhersage ist gut und für heute sind auch keine Gewitter angekündigt. Dennoch ist die Luft feucht und schwer vom heftigen Gewitterregen am Vortag.

Der morgentliche Blick aus dem Fenster sieht sicht so berauschend aus. Aber in den Bergen täuscht der erste Blick ja oft. Ich hoffe das Beste… und bekomme es an diesem Tag auch 🙂

Nach dem Start passiere ich nach kurzer Abfahrt Pont de la Cour über den Fluss Abondance. Ich kann noch etwas Luft holen und dann geht’s auch schon nach 5 Kilometern in den ersten Anstieg zum Col du Grand Taillet. Na ja, so richtig „Groß“ ist der „Grand“ Taillet nun nicht. Gerade einmal 1041 m misst er und damit eignet er sich ganz gut zum warmfahren.

Kurze Zeit nach erreichen des Gipfels bin ich aber auch schon gleich wieder kalt, denn die folgende Abfahrt ist lang und wird immer länger. Es geht nämlich vom Grand Taillet aus tief und steil über La Forclaz und Le Cruet hinunter ins Tal der Dranse. Nachdem ich unten auf der Hauptstraße D902 angekommen bin, heißt es aufpassen: recht schnell und kaum ersichtklich ist der Abzweig auf die kleine D22a hoch nach la Vernaz. Es geht Richtung Vailly. Der Streckenabschnitt der jetzt kommt und über die kleine D22a führt ist wirklich sehr schön und an diesem Tag auch sehr ruhig. Autoverkehr: Fehlanzeige! Das gilt auch praktisch für alle anderen Straßen an diesem Tag auf dieser Tour bis Morzine. Vielleich müssen die Leute sich ja alle vom Zuschauen bei der Tour am Vortag ausruhen. Mir soll’s recht sein ?

Bei Vailly angekommen biege ich linkerhand auf die D26 Richtung Bellevaux und verirre mich nach wenigen Minuten in einer Boulangerie bei La Côte, denn etwas wie Müsliriegel oder Gels habe ich ja nicht dabei. Aber später will ich ja dem Col de la Ramaz die Stirn bieten. Also gibt’s eine leckere, frische Apfeltasche aus der Bäckerei.

Aber erst einmal gilt es, zwischen Bellevaux und dem Abzweig zum Ramaz bei Mégevette noch den 1027 m hohen Col des Jambaz zu erklimmen. Ehrlich gesagt fällt dieser Pass aber in diesem Höhenprofil gar nicht auf. Nach 10 Kilometer sanfter Abfahrt wird es dann aber ernst. Bei Mégevette biege ich links auf die kleine D226. Für die klassische Anfahrt zum Ramaz würde man hier nicht abbiegen, sondern über Pont du Giffre, Mieussy und Messy auf der D308. Ich behaupte aber jetzt mal ganz frech, dass meine Variante die schönere ist. Man muss halt auch mal was ausprobieren.

Meine Variante findet dann schließlich auch wieder auf die D308 und zwar hinter Drevy / Chez Besson. Die D308 läutet nun auch für mich nun den ultimativen Abstieg zum Col de la Ramaz ein. Sehr schön: die Straße ist gesäumt mit großen Fotoplakaten aller Größen des Radsports. Von A wie Anquetil bis Z wie Zotemelk. Ich weiß nicht, ob die Schilder da dauerhaft stehen, oder eben nur für die Tour aufgebaut wurden. Auf jeden Fall hat sich mein Freund Laurent Fignon spontan zu einem Selfie mit mir bereit erklärt. Danke Laurent!

Im Hintergrund jubelt ein ganz großer Rennfahrer im Gelben Trikot: Laurent Fignon. Im Vordergrund freue ich mich mit ihm.

Der Col der Ramaz ist dann schon wirklich sehr schwer. Auch deshalb, weil die Sonne nun bereits wieder mächtig einheizt und meine Auffahrt just um die Mittagszeit erfolgt. Gutes Timing ist eben alles ?. Der Col de la Ramaz mit seinen 1619 m bildet den Höhepunkt meines Tages – aber nur im Puncto absolute Höhe.

Hart zu erklimmen, aber leider mit sehr unspektakulärer Passhöhe: Der Col de la Ramaz. Der nachfolgende Col de l’Encrenaz ist schöner.

Der landschaftliche Höhepunkt dieser Tour ist aus meiner Sicht ganz klar der nachfolgende, „nur“ 1433 m hohe Col de l’Encrenaz. Den hat die Dauphiné 2016 in Angriff genommen. Eine sehr exzellente Wahl! Aber für ein Profirennen ist die Straße fast etwas zu klein. Wenn man sich vom Ramaz auf der D308 in flotter Abfahrt befindet, muss man sehr aufpassen um die abrupte Abzweigung nach einer Rechtkehre links auf die D328 Richtung l’Encrenaz nicht zu verpassen. Wenn man keine Zeit für den Schlenker über den Encrenaz hat, kann man auch die D328 Richtung Les Gets weiterfahren und kommt so nach Morzine. Das ist etwas kürzer und vielleicht auch einfacher, aber sicher nicht so schön wie über den Encrenaz.

Nach einer berauschenden Abfahrt runter nach Morzine geht es zunächst in Hochgeschwindigkeit weiter immer leicht bergab Richtung Genfer See auf der D902.

Leider kommt mein bitteres Erwachen aus dem Nichts. Um zum Startpunkt nach Vacheresse zurückzukommen, geht rechts hoch nach le Biot. Und es geht g’scheid hoch will ich hier nur ml sagen! Nach dem ständigen auf und b des Tages zieht sich der gleichmäßige, steile Anstieg hoch zum 1237 m hohen Col du Corbier.

2016 führte die Tour de France nicht über den Corbier. wohl aber 1975: siehe „Schnappschuss des Tages“ unten. Immerhin: 2016 geht die Tour de Robert über den Corbier 🙂

Kleine Anekdote am Rand dazu: Der Corbier als Abschließender Pass dieser Tour durfte die Tour de France zum Beispiel 1975 bereits miterleben. Den Abend nach der Tour an diesem Tag habe ich in einem sehr empfehlenswerten Restaurant in Vacheresse verbracht. Ich bin dabei in eine Familienfeier des Wirts geraten und es wurde ein wirklich toller Abend mit Musik und Gesang und jeder Menge Spaß. An solchen Tagen danke ich meinem Schicksal immer, dass mich in der Schule für Französisch als Sprache entschieden habe und das auch sehr gerne spreche. Sicher nicht perfekt, aber das ist mir egal und den Franzosen scheinbar auch, denn sie unterhalten sich mit mir. Nach kurzer Zeit bin ich mit einem netten Herrn am Nachbartisch übers Radfahren ins Gespräch gekommen. Der war mit seinem Freund auch nur zufällig da und wurde euch eingeladen. Einfach spitze diese Gastfreundschaft! Nach ein paar Gläsern Wein rannte er zu seinem Auto und brachte mir einen historischen Sticker geschenkt (siehe Foto) von der Tour de France 1975 über den Corbier. Damals war ich 6 Jahre alt und hab die Tour noch nicht wirklich mitbekommen ? Sicher ist so ein Sticker für viele Menschen kein Diamant, aber sicherlich ein Juwel für einen Radsportfan wie mich. Von dem gibt’s sicher nicht mehr viele Exemplare. Ich werde ihn in Ehren halten. Das auch, weil der Corbier ein wirklich schöner kleiner Pass ist!

Und so summieren sich die Höhenmeter des Tages dieser wunderschönen Tour durch das Massif du Chablais auf insgesamt 2760 Höhenmeter. Die Tour endet dann noch mit einem kleinen Bergsprint hoch zum Appartement. Ich glaube ich habe den Bergsprint gewonnen…

Feierabend nach einer schönen Tour in Vacheresse. So muss das aussehen: Milchkaffee, Rotwein und das Procycling Magazin. Mein Radl hat auch Feierabend.

 

Noch ein Tipp am Rande: Wer mal ein schönes Rennen in der Gegend fahren will, der ist mit „La Morzine Vallée d’Aulps“ vom Veranstalter Sportcommunication gut beraten. Die Langdistanz verläuft teilweise auf den gleichen Straßen, ist aber mit Col de la Joux Verte und Col de la Joux Plane noch um einiges länger und anspruchsvoller 155 km / 3800 hm

Servus
RK

 

Schnappschuss des Tages

Vor 39 Jahren zu Ehren der Tour der France über den Col du Corbier

 Zusammenfassung

Streckenlänge: ca. 103 km
Höhendifferenz (Aufstieg): ca. 2761 m
Durchschnittsgeschwindigkeit (mit Pause & Stops): ca. 15,8 km/h
Durchschnittsgeschwindigkeit (in Bewegung): 18,1 km/h

Strecke
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volle Distanz: 103868 m
Gesamtanstieg: 2762 m
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 Und dann hier noch mehr Daten (wen es interessiert)