Rennen

Lüttich-Bastogne-Lüttich 2017 der Bericht vom Rennen: Alles dabei, außer Schnee!

Sonntag 23. April. 2017:

Ein wunderschöner Frühlingstag Ende April. Es ist kalt, aber die Sonne scheint und es ist trocken. Am blauen Himmel über Lüttich stehen ein paar harmlose Wolken Wolken. Regen ist von denen nicht erwarten. An just diesem Sonntag ist das Profi-Rennen von Lüttich-Bastogne-Lüttich 2017. Wettertechnisch haben die Profis mit Sicherheit das bessere Los gezogen als die Teilnehmer der Jedermann Version am gestrigen Samstag.

Dann also Rückblende auf Samstag 22. April 2017:

Es ist also Samstag, der 22. April, 6 Uhr morgens und ich verlasse meine Gîte in Lüttich. Es ist kalt. Aber im Vergleich zu oben besagtem Sonntag scheint die Sonne ganz und gar nicht. Und am Himmel stehen nicht nur harmlose Wolken. Zudem sind es jede Menge dieser nicht-harmloser Wolken. Genauer gesagt gibt es praktisch nur nicht-harmlose Wolken… und keinen Himmel. Zumindest gibt es keinen sichtbar blauen Himmel. Sicherlich ist über den Wolken irgendwo blauer Himmel… oder vielleicht doch nicht? Leider wird sich herausstellen, dass die Sonne heute den ganzen Tag keine Lust hat zu scheinen. Eine kleine, gemeine Ausnahme erwähne ich am Ende dieses Berichts. Der bleigraue Himmel wirkt noch nicht ultimativ bedrohlich. Aber Regen ist von denen vielen Wolken auf jeden Fall zu erwarten. Aber noch ist es trocken, als ich gegen 6 Uhr mein Rad auf die Straßen von Lüttich schiebe und mich in den Sattel schwinge. Ich bin eingepackt als wäre es tiefster Winter. Und das ist auch gut so.

EIn Bild vom Freitag 21. April: Der Vortag des Jedermann-Rennens. Alles ist bereit für LBL – „La Doyenne“.

 

Nochmal Freitag am Vorabend des Rennens: Ruhe herrscht in den Straßen von Lüttich. Ein typisches Bild für diese Stadt mit ihren vielen engen, ansteigenden Straßen. Kopfsteinpflaster und die oft schmalen aber sehr malerischen Backsteinhäuser in den vielen steilen Straßenzügen prägen das Stadtbild. Der ist leider ein Bild vom Vorabend des Rennens. Am Freitagabend bei meiner Ankunft in war noch richtig tolles Wetter

Erst einmal geht es durch die um diese Uhrzeit am Samstag noch verwaisten Straßen der Innenstadt runter zum Start bei der „Halle des Foires“ am Ufer der Maas. Ganz schön was los am Start. Aber keineswegs überlaufen. Es gibt bei diesem Rennen einen „offenen Start“, also einen Start in einem Zeitfenster. Und damit fallen die knapp 7000 Teilnehmer nicht wirklich auf. Für meine 158 km Strecke ist der Starkorridor zeitlich zwischen 6:30 und 9:30. Eine Zeitnahme für die gesamte Strecke gibt es auch nicht. Das macht das Rennen aus meiner Sicht zwar etwas weniger spannend und nimmt ihm auch etwas den Flair, aber die fehlende Zeitnahme sorgt vermutlich auch für mehr Sicherheit. Kaum einer rast unüberlegt, überfahrt rote Ampeln oder schneidet rücksichtlos, nur um ein paar Sekunden rauszuholen. Ein paar Idioten gibt es immer, aber die Mehrheit fährt hier sehr umsichtig. Nur für die 3 finalen Anstiege wird die Zeit via Chip registriert. Aber dazu später mehr. Trotz des offenen Starts bildet sich schon auf dem Weg hinaus aus der Stadt ein stattliches Peloton um mich herum. Leider kann die Beschilderung der Strecke an einigen Stellen nicht ganz mit dem professionellen Charakter der Veranstaltung mithalten. Nach nur wenigen Kilometern durch die Stadt stehe ich auf einmal in einer etwas ratlosen Gruppe von ungefähr 30 Fahrern in den Straßen von Lüttich. Kein Wegweiser mehr? Seltsam. Alle stehen an der Ampel und blicken sich ratlos, aber schmunzelnd an. Nach wenigen Minuten ist man sich einig: hier passt was nicht. Zurück zum Start? Nicht ganz. Aber doch zurück zum letzten Kreisverkehr. Und hier lag denn auch der der Fehler. 30 Fahrer hatten ein schlecht platziertes Schild übersehen. Oder war es doch ein “Lemming-Effekt“: einer fährt falsch und alle mit „Hurra“ ihm nach. Ich nehme mir vor besser aufzupassen und nicht nur blind einer Gruppe nachzufahren. Letzteres könnte bei weiteren Verfahrern dieser Art zu anstrengend werden. Weiter geht‘s aus dem Stadtkern raus über die Vororte von Lüttich ins Grüne. Es rollt exzellent! Und auch die Topographie ist zunächst einfacher als ich angenommen hatte. Es ist zwar nie flach, aber die vielen Wellen sind noch kein Problem – vor allem nicht in der Gruppe. Vor allem war es noch trocken! Ich betreibe mit großem Enthusiasmus „Group-Hopping“: Ist mir die Gruppe, in der ich mich gerade befinde zu langsam, dann gebe ich kurz Stoff und fahre 500 Meter oder so zur nächsten Gruppe vor. So ist denn auch mein Schnitt am Anfang genial hoch. Hätte ich doch die lange Originalstrecke nehmen sollen? Mist! Solche Überlegungen überkommen mich immer schnell, wenn es erst mal läuft. Und es läuft wirklich gut. Noch fühle ich mich wie im lockeren Aufwärmmodus und habe aber doch schon fast 2 Stunden mit einem 26er Schnitt hinter mich gebracht. Wenn das so durchlaufen würde, könnte ich 273 km in 10 – 11 Stunden schaffen. Aber erstens läuft es selten so weiter wie zu Beginn und zweitens habe ich mich jetzt schon umentschieden und dabei bleibt es auch. Basta. Die erste Verpflegungsstelle lasse ich trotzdem kurzerhand rechts liegen. Noch ist alles im grünen Bereich. Kurz dahinter bei Werbomont geht es dann für mich links ab nach Osten auf die verkürzte 158 km Schleife, während die harten Jungs geradeaus weiter Kurs Richtung Süden nach Bastogne halten. Und während ich mich gerade noch in einer kleinen Gruppe befand, bin ich nun plötzlich alleine. Und weitere Gruppen kann ich auch noch nicht vor mir sehen. Weit und breit niemand. Bin ich hier schon richtig abgebogen? Oder war da wieder ein falscher Wegweiser? Das kann doch nicht wahr sein. Gurke ich jetzt hier die restlichen 100 KIlometer alleine rum! Fahren die denn alle die große Runde? Oder bin ich zu früh gestartet und bin jetzt ganz vorne? Immerhin bin ich schon um viertel vor sieben los. Es dauert tatsächlich noch eine ganze Weile bis ich wieder auf radelndes Leben treffe. Aber dann ist doch klar, dass auch eine ganze Menge anderer Fahrer die Mittelstrecke gewählt haben. Die waren nur alle noch früher am Start als ich. Was hinter der Abzweigung bei Werbomont allerdings ebenso unmittelbar klar wird: die große Originalstrecke wäre wohl doch keine so gute Idee gewesen. Es fängt nämlich unmittelbar nach der Streckenteilung Richtung Trois-Points, Stavelot und Francochamps an zu regnen. Mal mehr mal weniger. Meistens eher mehr. Den Regnen gibt’s dann mit Wind oder ohne Wind. Am Anstieg oder in der Abfahrt . Immer gut gemischt mit einer kräftigen Portion Kälte. Eine tolle Kombination. Das tut an der Stelle zwar weh, hat aber auch alles, was einen echten Klassiker ausmacht. Nur Schnee gibt’s nicht. Aber man kann ja nicht alles haben! Nass und kalt muss reichen 🙂

Ein Blick Richtung Süden über die Ardennen nach lässt auch nichts Gutes erahnen. Dort unten treiben undurchschaubare, graue Wolken- und Regenschwaden. Von der Landschaft kann ich nicht viel erkennen. Was ich aber klar erkennen kann, ist dass die 273 Kilometerrunde – zumindest für mich – an diesem Tag keine gute Idee gewesen wäre. Also doch alles richtig gemacht mit der Mittelstrecke.

So düster war es eben teilweise wirklich entlang der Strecke. Vor allem zwischen Werbomont und Spa Francochamps.

Dafür ist Windschattenfahren jetzt auf meiner Strecke mit dem vielen Wasser auf der Straße auch nicht mehr wirklich lustig. Viel Gelegenheit zu Windschattenfahren oder eben zur Bildung von Gruppen gibt es aber eh nicht. Einerseits sind die vielen Fahrer spätestens ab Kilometer 50 zu weit verteilt. Andererseits geht es auch ständig von einer knackigen Steigung und Abfahrt zur nächsten. Die Geschwindigkeiten sind einfach zu unterschiedlich am Berg. Zudem will ich in der Abfahrt bei den Straßenverhältnissen niemand am Hinterrad haben oder selbst an einem anderen Hinterrad hängen. Das ist mir einfach zu gefährlich.

Ohne Gruppe geht aber natürlich auch der Schnitt runter. Andererseits komme ich immer ganz gut zurecht, wenn ich selber mein Tempo bestimmen darf. Und so habe ich lange Zeit nicht das Gefühl, wirklich Speed zu verlieren. Ich bin viel mehr damit beschäftigt, die Finger mit gymnastischen Verrenkungen und Schütteln warm zu halten. Funktioniert ganz gut. Bei Kilometer 70 sind die Hände wieder entfrostet und das Fahren macht so wieder mehr Spaß. Übrigens: Durchschnittstemperatur 5,5 °C (Minimal 1°C)! Eigentlich wirklich nicht mein Ding, aber trotz der widrigen Bedingungen fand ich das Rennen wirklich spitze.

Alles nass. Aber die gute Laune ist noch da!

Was jedoch bei den Temperaturen halt keinen Spaß macht, das sind die Verpflegungsstopps. Essen muss sein, aber am besten Essen hamstern, so viel wie möglich gleich runterschlucken (ohne dass man sich verschluckt und überfrisst) und dann sofort weiterfahren. Etwas längere Pausen sind bei den Temperaturen tabu, aber für mich auch sonst eher kontraproduktiv. Meine erste und einzige Pause lege ich bei Stavelot ein, ungefähr bei Kilometer 70 nach knapp 3 Stunden. Apropos Stavelot und Verpflegungsstelle. Gleiches Problem wie in der Innenstadt von Lüttich zu Beginn. Also liebe Veranstalter der A.S.O.: Wenn sich 8 Leute gleichzeitig verfahren und die Verpflegungsstelle nicht finden ist die Beschilderung suboptimal. So wie eben auch in Stavelot. Aber zu guter Letzt sind wir dann doch nicht verhungert und haben die Verpflegungsstelle dann doch gefunden. Wieso man diese allerdings so ins Abseits der Rennstrecke legt bleibt ein Geheimnis des Veranstalters (Anmerkung des Autors: Die A.S.O ist der Verein, der auch die Trour der France veranstaltet. Das verfährt sich hoffentlich keiner. Das wäre peinlich für die A.S.O.).
Immerhin: Dank des kleinen Verfahrers und der extra Schleife zur Verpflegungsstelle kommen noch einmal 3 Bonus-Kilometer auf mein Konto. Wenn ich so weitermache, bin ich zwar nicht die Originalstrecke gefahren, komme aber trotzdem auf die 273km 🙂

Schnell wieder raus aus Stavelot und weiter. Nur nicht auskühlen. Mit großer Mühe bekomme ich die nassen Handschuhe wieder über die klammen Finger. Von weitem hört man bereits das Dröhnen von Motoren auf der Formel-1 Rennstrecke von Spa-Francochamps. Als es gleich danach aus den Ort heraus erst einmal 5 Kilometer steil bergauf geht freue ich mich. Diese Freude ist kein Anflug von Masochismus. Mich freut einzig die Tatsache, dass es mir so gleich wieder warm wird. Oben angekommen sind meine Finger warm. Ziel erreicht. Dafür werden gleich darauf in der übernächsten, längeren Abfahrt (10 km) hinunter nach Spa die Füße zu kleinen Eisklötzen. An der Stelle erreicht aber auch das Quecksilber mit 1 °C sein absolutes Tagesminimum.

Im kleinen Peloton: vorne fahren ist eigentlich besser, aber hier mache ich erst mal Pause im Windschatten… auch wenn mein Gesicht nicht so wirklich nach Pause aussieht. Es ist da hinten einfach nur noch nässer 🙂

Auf den nächsten Kilometer Richtung Remouchamps schließt der Himmel endlich seine Schleusen. Kalt bleibt es, aber ohne den Regen ist das kein so großes Problem. Ich fange auch schon fast an, die Umgebung zu genießen, als sich die Straße in Remouchamps kurz nach Überqueren des kleinen Flusses Amel plötzlich vor mir erhebt. Die „Redoute“ ist erreicht. Wie auch immer die genauen Prozentangaben der durchschnittlichen und maximalen Steigung offiziell lauten: die Redoute ist schon mal unverschämt steil. Wir reden hier nur von ungefähr 3 Kilometern des gesamten Rennens. Aber über ca. 1,5 km sind es nach meinen Aufzeichnungen im Mittel über ca. 10,4 %. Das ist schon extrem. Etliche Fahrer schieben ihr Rad bereits nach kurzer Zeit. Ein Lkw tuckert ungefähr 200 Meter vor mir hinter einer kleinen Gruppe Rennradler her, die sich schlingernd den Berg hochquälen. Überhohen ausgeschlossen. Warum muss der Lkw-Typ denn ausgerechnet jetzt hier hoch? Gleichzeitig ist eine andere Gruppe Rennradler direkt hinter dem Lkw. Und die würden den gerne überholen. Geht aber auch nicht. Die Straße ist einfach zu eng. So fluchen denn einige der Radler lauthals hinter dem Lkw her und kippen dabei beinahe um oder halten sich kurz an einem Zaun fest und geben dann wieder Gas.
Der Teil der Redoute, welcher parallel zur A26 verläuft ist bereits von etlichen Wohnmobilen gesäumt. Hier kommen morgen die Profis vorbei. Vielleicht ist das hier die entscheidende Schlüsselstelle des Rennens? Der Ort der Vorentscheidung? Der Platz hier zum Zuschauen ist in jedem Fall nicht falsch. Hier fahren auch die Profis so langsam, dass man die Anstrengung und den Schmerz in ihren Gesichtern deutlich sehen kann. Die Wohnmobilbesitzer sitzen auch heute schon teilweise vor den Gefährten. Manche lesen Zeitung, andere unterhalten sich entspannt untereinander und ein paar schauen mehr oder minder interessiert auf das radelnde (Fuß-)Volk. Interessant denke ich und erinnere mich an die Auffahrt nach Alpe d’Huez beim Marmotte 2007. Hunderte von Fans jubelten den Jedermann-Fahrern des Marmotte damals zu, vor allem Basken und Niederländer. Das ist die wahre Begeisterung und Atmosphäre für ganz normale Teilnehmer eines Jedermann-Rennens. Etwas Vergleichbares habe ich nie wieder erlebt. Die „Redoute“ ist sicherlich Kult und die Bezwinger dieser Challange für Jedermann würden eine vergleichbare Begeisterung verdienen. Aber davon ist hier und heute leider nichts zur spüren und zu erleben. Ich selbst habe damit kein Problem. Aber genau DAS ist es, was ein Jedermann-Rennen aus meiner Sicht prägt und zu Kult macht oder eben nicht. Die LBL-Challange ist ein wahrhaft großes Rennen. Aber ein großes Rennen ist es, wegen der Geschichte und der Strecke an sich. Wenn das Jedermann-Rennen selbst auch Kult sein will, dann muss hier an der Redoute ein Volksfest stattfinden. Hier muss es brennen. Vielleicht lassen sich die Veranstalter der A.S.O. ja noch etwas einfallen. Ich persönlich finde, dass dieser Anstieg mehr verdient hat. Ich habe die Zeitnahme erreicht. 7 Minuten und 27 Sekunden (über den 1650 m Anstieg).

Sacksteil, aber fast oben: La Redoute gibt oben raus alles um es den Fahrern schwer zu machen.

Es geht wieder runter zum nächsten Flusstal. Diesmal ist es die Ourthe bei Hony. Hier steht als nächstes die La Roche-aux-Faucons an. Auch eine sehr schwere Steigung. Deutlich kürzer als die Redoute, aber im Mittel über die steilste Passage von ca. Kilometer mit 11,5 % ein echter Plompenzieher. Es läuft immer noch hervorragend bei mir. 7 Minuten und 11 Sekunden erscheint mir sehr gut (über 1500 m Anstieg mit 9,9 %). Leider kann man nach dem Rennen im Internet keine allgemeine Klassifizierung im Vergleich zu anderen sehen. Das ist etwas schade.

Nach der Abfahrt geht es vor der Côte de Saint-Nicolas durch einige alte und verfallene Industriegebiete von Lüttich. Nach dem Rennen habe ich mich mit ein paar Teilnehmern unterhalten, die diesen Streckenabschnitt als „nicht schön“ oder gar „hässlich“ bezeichnet haben. Ich selbst distanziere mich von solchen Aussagen. Alte und verfallener Industriegebäude und -gelände übten auf mich immer schon eine besondere Faszination aus. Auch und vor allem im Zusammenhang mit solchen Radrennen und den Klassikern. Man muss sich vorstellen, dass die Fahrer damals durch ihren Sport eben genau diesen Verhältnissen oder dem harten Leben auf dem Land entkommen wollten. Und wer weiß, vielleicht gab es auch genau hier, in diesen Straßenzügen unter den Arbeitern kurzzeitig die größte Begeisterung als die Fahrer vorbeifuhren. Wie auch immer es genau war, diese Industrie war einstmals groß und wichtig. Für Lüttich-Bastogne-Lüttich, wie auch für andere Große Rennen. Und genau darum sollte man wohl auch diesen Zeugen vergangener Zeiten entlang der Strecke mit etwas Respekt begegnen – auch wenn viele der alten Gebäude nicht mehr so ansehnlich sind und mit Sicherheit irgendwann viel schöneren, glatteren und seelenloseren Glas- und Betonbauten weichen werden.

Mit dem Überqueren der Maas ist es nicht mehr weit bis zum offiziellen Ziel in Ans. Am Place Ferrer geht es scharf rechts ab und die letzte Côte stellt sich mir in den Weg, hinauf ins Stadtviertel Saint-Nicolas. Ein schöner, gleichmäßiger Anstieg, der sich verglichen mit der Redoute und La Roche-aux-Faucons deutlich entspannter angehen lässt. Zudem bietet die Rue Bordelais ein paar kleine Serpentinen mitten in der Stadt. Das bekommt man auch nicht so oft. 5 Minuten und 35 Sekunden benötige ich für die offiziellen 1400 m Anstieg mit 7,6 %. Das läuft. Ist aber auch kein Wunder. Seit der Redoute hat es nicht mehr geregnet und die Straßen sind mehr und mehr abgetrocknet. Es ist nur noch kalt und an manchen Stellen über mir meine ich sogar schon blauen Himmel zu sehen. War’s das jetzt mit den Schwierigkeiten des Tages? Noch nicht ganz! Es fehlt noch die Zielgerade des Profirennens in Ans, die Rue Walthère Jamare hinauf zur Kreuzung mit der Rue Jean Jaurès. Mich stresst die lange Zielgerade nicht, auch wenn es schnurgerade mit 6 – 7 % über einen Kilometer bergan geht. Das Ziel dieser Challenge liegt ja noch knapp 10 Kilometer weiter unten an der Maas. Und so unterhalte ich mich ganz angenehm mit einem Engländer, während wir beide uns der Anhöhe nähern. Für die Profis wird das hier am Sonntag etwas anders ablaufen. Gemein ist, dass man das Ziel hier von weitem schon immer vor Augen hat und die Steigung aber immer konstant hoch bleibt. Ich bin jetzt kein Experte für Profirennen und außerdem schreibe ich diesen Bericht eine Woche nach dem Profirennen von LBL. Man kann meine folgende Aussage also auch als „eh klar“ und „oberschlau“ bezeichnen. Trotzdem: Nachdem ich diesen Anstieg in Ans gerade selbst hochgefahren bin und nachdem ich Valverde in der Woche vorher auf dem letzten Kilometer an der Mur de Huy beim Flèche Wallone gesehen habe ist mir im Moment klar: der Profisieg bei LBL 2017 geht nur über Valverde. Diese Zielgerade ist wie für ihn gemacht. Ich hätte wetten sollen…

Die restlichen Kilometer sind „Tour de Honneur“ und außerdem geht es zum Ziel fast nur noch bergab durch die Straßen von Lüttich mit ausgezeichnetem Blick ins Tal der Maas. Auf den letzten Kilometern bergab den Boulevard Hector Denis und den Boulevard Hector Solvay dann noch einmal jede Menge echtes Klassiker-Feeling über Kopfsteinpflaster. Und dann ist es auch schon geschafft. Ich habe mit der Halle des Foires den Ausgangspunkt und damit aber auch das Ziel nach 157 Kilometern in 6 Stunden und 33 Minuten erreicht. Und jetzt kommt der eingangs erwähnte Moment der Sonne. Da bitte ich also jemanden darum, ein Foto von mir im Ziel zu machen und was passiert? Just in diesem Augenblick kommt die Sonne raus! Nur um dann gleich darauf wieder hinter den Wolken zu verschwinden. Das ist nicht fair! Wie sieht das denn nun aus? Als hätte ich eine sonnige Radtour durch die lieblichen Ardennen an einem angenehm warmen Tag verbracht. Mir ist bereits nach 15 Minuten kalt. Ein Bier wäre jetzt nicht schlecht. Unter den Umständen aber eher ein warmes Bier. Aber wer will schon warmes Bier. Also fahre ich Richtung warmer Dusche und freue mich auf ein eiskaltes, leckeres belgisches Bier.

Zieleinfahrt nach 6 Stunden und 33 Minuten

Leicht duchgefroren, noch etwas nass, aber zufrieden.

Niederländer lassen sich von etwas Regen und Kälte nicht so schnell beeindrucken. Ein lockerees Bier danach geht immer. Prost Jungs!

… später am Abend: ich werde nicht enttäuscht. Mein Tipp: Die Beer-Lovers Bar in der Rue de la Violette 9 direkt in der Nähe des Palais des Princes-Evêques. Sicher nicht die billigste Bar, aber 250 Biersorten im Ausschank ist schon der Hammer (750 Sorten im Shor nebenan!!!) Da ist für jeden was dabei 🙂

Epilog:

Es ist Sonntag der 23. April. 2017 und ich sitze mit fünf gut gelaunten Engländern im Beer-Lovers um mir das Profirennen anzusehen. Am Start war ich Live dabei, aber statt mich in der heute sonnigen Kälte an die Redoute oder ins Ziel zu stellen, genieße ich bei einem Trappisten Bier (Triple) das Rennen vor der Großleinwand. Die fünf Engländer waren gestern auch beim Rennen und testen sich durch die 14 verschiedenen Biere vom Fass. Tja und dann… tritt Daniel Martin zum Zielsprint an, nur um dann 10 Meter vor dem Ziel mit anzusehen, wie Alejandro Valverde doch noch ganz locker an ihm vorbeizieht, um bereits einige Meter vor der Ziellinie die Arme in die Höhe zu recken. Wer aufgepasst hat: hier geht es 6 – 7 % bergauf! Ich hätte doch wetten sollen…

Celebrate Cycling! Public Viewing im Beer Lovers. 5 harte Jungs von der Insel die auch am Vortag den LBL-Cyclosportive gemeistert haben 158 km bzw. 273 km!

Alejandro Valverde reckt die Hände in die Höhe. Er gewinnt Lüttich-Bastogne-Lüttich 2017… ich hätte doch wetten sollen 😉

Und wie war das jetzt mit dem Ardennen-Training à la Ravensburg (siehe meine letzten Blog-Beiträge)? Hat das was gebracht? Aber Hallo! Das war genau richtig! Besser hätte ich aus meiner Sicht auf dieses Rennen nicht trainieren können!

LBL und ich, wir sehen uns in jedem Fall 2018 wieder. Mit besserem Training und der Hoffnung auf trockenes Wetter nehme ich einen erneuten Anlauf auf die 273 Kilometer. Bis bald, A bientôt!

Servus und bis zum nächsten Rennen im Vercors (Frankreich)
RK

Schnappschuss des Tages:

Der Schnappschuß des Tages mal nicht von der Strecke, sondern von meiner persönlicher After-Race Party. Das Rennen bei einer solchen Veranstaltung ist eben nicht alles. Und ein guter Tag nach einem guten Rennen sollte eben SO enden 🙂 Rechts: Nicolas vom Beer-Lovers Team (beer-lovers.be). Ein toller Abend nach dem Rennen und super netter Service. Merci et à bientôt Nicolas!

Zusammenfassung

Streckenlänge: ca. 157 km
Höhendifferenz (Aufstieg): ca. 2490 m gemäß eigener Aufzeichnung (2705 m laut Angabe der Ausschreibung)
Durchschnittsgeschwindigkeit (mit Pause & Stops): ca. 24,0 km/h
Durchschnittsgeschwindigkeit (in Bewegung): 25,1 km/h

Nützliche Links

Strecke
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volle Distanz: 156788 m
Gesamtanstieg: 2795 m
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 Und dann hier noch mehr Daten (wen es interessiert):